Jemand, der in ein fremdes Land geht und nicht weiß, wie lange er in diesem verweilen wird, braucht, um seine Arbeit zu erleichtern und seine Zeit auf eine schöne Art verbringen zu können, in erster Linie einen Leitfaden und einen Wegweiser. Mit deren Hilfe verliert er keine Zeit, damit seine Richtung zu suchen und kann jeden Moment genießen.
Die Welt ist wie ein unbekanntes Land und niemand weiß, wie lange er in diesem bleiben wird. Wenn man bedenkt, dass das Leben eine Reise und Menschen, die Reisenden sind, wird es zu einer Reise mit unbestimmter Dauer. Der Leitfaden und der Wegweiser auf dieser Reise, von der nicht bekannt ist, ob sie lang oder kurz ist, sind Mütter und Väter.
Wenn wir einen menschlichen Körper erforschen, sehen wir, dass dieser wehrlos, nackt und unfähig ist. Im Vergleich zu den anderen Geschöpfen dieser Welt ist der Körperbau der Menschen recht gebrechlich, da er weder ein Fell hat, um sich zu erwärmen, noch Krallen, um sich zu verteidigen, noch Flügel, um zu flüchten. Während das Aufstehen und Laufen eines Babys mindestens neun Monate dauert, dauert es noch bis zur Pubertät, bis er die Reife erreicht, seine anderen Bedürfnisse zu sollen und sich um seine eigene Pflege zu kümmern. Wenn der Mensch in der Zeit seines Unwissens einen Leitfaden und einen Wegweiser hat, die ihn pflegen und ernähren, sollte er den Wert derer schätzen. Denn nicht jeder hat solches Glück.
Wenn wir achtsam sind, erkennen wir, dass alles in der Natur im Gleichgewicht ist. Es wurde nicht alles “gleich” erschaffen, sondern in einem “Gleichgewicht”, und wenn diese Balance hergestellt ist, können wir von einer Harmonie sprechen. Das Gleichgewicht können wir uns als anschaulichen oder abstrakten Begriff in allen Angelegenheiten vorstellen. Beispielsweise sind die beiden Hälften eines Apfels zwar nicht gleich, aber komplementär. Die eine Gesichtshälfte eines Menschen gleicht auch nicht der anderen, aber sie vervollständigen sich. Genau wie diese fangen auch Beziehungen in einem bestimmten Gleichgewicht an und was auch immer eine Person einer anderen gegenüber fühlt, spiegelt sich ihm wider. In diesem Leben, in dem jede Beziehung in einem Gleichgewicht beginnt, gibt es nur eine Beziehung, die nicht in einem Gleichgewicht beginnt und diese ist die Beziehung zwischen Mutter und Kind. Wenn eine Mutter ihr Kind gebärt, ist sie verliebt und das Kind bedürftig.
Mütter sind wie die Natur, die die größten Wunder in den kleinsten Dingen beherbergen. Sie legen die Liebe zwischen zwei Brotscheiben und geben es in die Hände ihrer Kinder. Zudem sind sie sehr geschickt und können vielerlei Dinge gleichzeitig. Durch die spürbare Ordnung in einem Haus erkennt man das Vorhandensein einer Mutter. Sie ist der Geruch der Suppe, der Klang eines Löffels, die Ordnung des Tisches (damit ist gemeint, dass all dies durch die Mutter zustande kommt) sowie die Pflege der Kranken und Erziehung der Kinder. Dieser wundervolle Engel verfügt über die Fähigkeit, sowohl eine Wohnung als auch eine Seele zu reinigen. Jemand, der ein Wunder sehen möchte, soll auf die Hände seiner Mutter schauen. Diese Hände schenken allem, was sie berühren, Schönheit und Harmonie, und von ihren Fingerspitzen fließt Wohlgeschmack.
Ein türkisches Sprichwort besagt: „Ein Vater ist wie ein Baum, selbst wenn er keine Früchte hat, so reicht doch sein Schatten.“ Das Schönste, was ein Vater seinem Kind vererben kann, ist das Gefühl des Vertrauens – so weit und beständig wie der Schatten eines Baumes. Mit dem Vertrauen lernt es auch die Bedeutung der Gerechtigkeit von seinem Vater, da dem Ungerechten nicht vertraut werden kann. Die Liebe eines Vaters zu seinem Kind ist etwas anders. Es kommt selten vor, dass man auf einen Vater tritt, der seine Liebe grenzenlos zum Ausdruck bringen kann.
Zudem ist die Liebe zum Vater jedoch auch anders, denn Kinder erwarten seine Anerkennung. Seine Kraft wird spürbar, wenn etwas die Familie bedroht, und die ganze Familie wird gestärkt durch die Zuflucht in seinen Schatten. Cengiz Aytmatov drückt die tiefe Liebe der Väter zu ihren Kindern sehr gut aus. Er schrieb, dass ein Vater, der sein Kind zum ersten Mal in die Arme nahm, sagte: „Weißt du, Dogulang, das ist kein Hasenbaby, es ist mein eigenes Herz, das ich in meinen Händen halte.“*
Tatsächlich ist die Liebe von Mutter und Vater zu ihren Kindern wie ein Fluss, der seit der Existenz der Menschheit strömt. Natürlicherweise haben die Kinder an ihrer Liebe teil und werden mit dieser geformt. Die Absicht der Eltern ihre Kinder zu pflegen und zu erziehen und die der Kinder sich um ihre Eltern zu sorgen, ist nicht dieselbe. Während die Mutter und der Vater sich ihrem Kind mit dem Gedanken “eines Tages wird es Erwachsen” widmet, widmet sich das Kind den Eltern mit den Gedanken, “eines Tages werden sie sterben.” Der Wert ihrer Bemühungen wird hierdurch spürbar.
Eltern sind der Grund für die Existenz der Menschheit und alle Eltern sind einzigartig. Sowohl Eltern haben Rechte und Pflichten gegenüber ihren Kindern wie auch Kinder gegenüber ihren Eltern. Wenn diese gewährt und eingehalten werden, werden beide Seiten zufrieden sein.
Wenn es doch so ist, wie kann man zögern Mutter und Vater zu lieben, zu ehren und ihnen Gutes zu tun? Sie sind der Liebe, des Mitgefühls, der Güte, der Ehrfurcht und des Respekts am würdigsten.
Denn sie sind – auf dieser Welt, in die wir in Blöße kamen – eine unersetzbare Gabe des Schöpfers, die Leitfäden und Wegweiser.
*Die weisse Wolke des Tschinggis Chan – Tschingis Aitmatow